Der quälende Drang
Harninkontinenz – viele Betroffene leiden still
Schätzungsweise sind 10 Millionen Männer und Frauen von Inkontinenz betroffen. Das Thema Blasenschwäche ist immer noch ein Tabuthema in der Gesellschafft, sodass Betroffene sich häufig zurückziehen. Es ist also davon auszugehen, dass die Dunkelziffer deutlich höher ist. Die Ursachen und daraus resultierenden Therapien von Blasenschwäche bei Männern und Frauen sind unterschiedlich. Allerdings gibt es verschiedene medikamentöse, nicht-medikamentöse und operative Maßnahmen, um die Beschwerde zu lindern oder sogar zu heilen.
Der Begriff Harninkontinenz schließt zunächst jeden unwillkürlichen Harnabgang ein. Betroffene Personen können die Harnausscheidung gar nicht oder nicht vollständig kontrollieren, sodass Harn ständig oder in bestimmten Situationen tröpfchenweise abgeht. Die betroffenen Personen sind in ihrem Alltag häufig eingeschränkt und isolieren sich aus Schamgefühl. Frauen leiden durchschnittlich häufiger an Blasenschwäche als Männer, was den Unterschieden in der Anatomie des weiblichen und männlichen Körpers geschuldet ist. Das Becken der Frau ist aufgrund der Fähigkeit zur Schwangerschaft und Geburt flexibler als das männliche. Bei Männern sind häufig die Probleme mit der Prostata oder Infektionen der Blase die Ursache.
Nur wenn die Ursache für die Harninkontinenz erkannt wurde, kann die richtige Therapie durchgeführt werden. Im Rahmen der Basisuntersuchung, welche die Anamnese durch den Facharzt, die körperliche Untersuchung sowie die Urinuntersuchung beinhaltet, können die meisten Ursachen bereits erkannt werden. Darüber hinaus sind Ultraschalluntersuchungen der Harnblase und Harnröhre und der Niere möglich. Liegt immer noch keine eindeutige Diagnose vor, wird eine Funktionsprüfung der Blase und des Schließmuskels vorgenommen, die sogenannte Blasendruckmessung. Ergänzend dazu kann eine Röntgenaufnahme der Harnblase oder eine Blasenspiegelung durchgeführt werden.
Sofern die nicht-operativen Therapien wie beispielsweise das Beckenbodentraining oder medikamentöse Therapien nicht anschlagen, sollte ein operativer Eingriff in Betracht gezogen werden. Die Standardtherapie bei männlichen Patienten ist das Einsetzen eines künstlichen Schließmuskels. Dabei wird in einer minimalinvasiven Operation eine mit Flüssigkeit gefüllte Manschette um die Harnröhre gelegt, welche die Harnröhre durch den Druck von außen verschließt. Durch den Eingriff mithilfe der Schlüssellochtechnik wird die Verletzung des Körpers durch eine möglichst kleine Einschnittstelle so gering wie möglich gehalten. In 90 % der Fälle wird durch diesen Eingriff eine Kontinenz erreicht.
Bei Frauen mit Blasenschwäche wird eine Schlingen- Operation durchgeführt. Im Rahmen der minimalinvasiven Operation wird unter die Harnröhre ein Kunststoffband eingesetzt, welches die Harnröhre stützt. Außerdem kann eine Umspritzung der Harnröhre mit Kollagen oder Silikon stabilisierend wirken und so die Symptome lindern. Sofern eine Blasensenkung vorliegt, wir das Bindegewebe zwischen Blase und Vagina gestrafft oder mithilfe der Einlage eines Netzes verstärkt.
Bildunterschrift (v.l.n.r.): Dr. Ghazy Kassem, Facharzt für Urologie, Mr. drs. Ben Van der Wieder, Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe.